Darf ich streiken? Und wenn ja, wann?
In unserem Magazin JobSense wollen wir uns heute mal einem ganz besonderen Thema widmen. Seit einigen Jahren ist es in Deutschland ganz normal, das überall gestreikt wird. Jedes Jahr aufs Neue wird der Streik in vielen Branchen beinahe zu einer sportlichen Veranstaltung. Hier stellt sich für Arbeitnehmer aber auch Arbeitgeber jedoch immer wieder die Frage, wann darf ich streiken und wann ist ein Streik zulässig.
Streiken als Grundrecht
Ist Streikrecht wirklich ein Grundrecht? Geht es nach den Gewerkschaften, so könnte die Frage mit Ja beantwortet werden. Schließlich leben die Gewerkschaften davon und müssen immer wieder neue Mitglieder anwerben. Arbeitgeber und die zuständigen Gerichte haben dabei jedoch nicht immer die gleiche Ansicht. Doch lassen Sie uns zunächst den Begriff „Streik“ einmal zuordnen. Pauschal könnte man diesen wie folgt erklären. Wenn Arbeitnehmer streiken, bedeutet dieses, das sie gemeinsam die Erfüllung des Arbeitsvertrags verweigern. Durch dieses Zwangsmittel soll der Arbeitgeber zu Lohnerhöhungen und Zugeständnissen bewegt werden. In Deutschland gibt es mittlerweile eine sogenannte Streikkultur. Sicherlich gibt es berechtigte Gründe für einen Streik. In den letzten Jahren wurden die berechtigten Gründe jedoch stark ausgeweitet. Teilweise gab es bis zu den 1920er Jahren noch eine weitere Form. Dabei legten die Angestellten nicht nur die Arbeit nieder, sondern kündigten alle gemeinsam. Diese Form lässt sich in der heute modernen Welt jedoch nicht mehr vorfinden.
Streik ist dem Gesetz nach tatsächlich ein Grundrecht, aber nur wenn dieser rechtmäßig ist. Und genau damit beschäftigen sich unsere Gerichte jedes Jahr. Die genaue Interpretation jedoch ist dabei nicht immer schlüssig. Für Gewerkschaften jedoch besteht Streik als Grundrecht in jedem Fall. Die Arbeitsgerichte urteilen generell mit Vorsicht und gewähren dieses nicht immer. Die sogenannte Streikerlaubnis ist sogar im Grundgesetz verankert. Daher dürfen Gewerkschaften und Arbeitnehmer als legitimes Mittel das Streikrecht nutzen. Allerdings wird das Streikrecht auch begrenzt. Demnach muss jeder Streik, der legal geführt werden soll, von einer Gewerkschaft getragen werden. Ein Streik, der jedoch ohne Gewerkschaft stattfindet, gilt als untersagt und wird umgangssprachlich auch als „Wilder Streik“ bezeichnet.
Darf der Arbeitgeber abmahnen oder kündigen
In der Regel geht man eigentlich davon aus, das eine Arbeitsniederlegung ohne gute Gründe (Krankheit, Urlaub, etc.), einen Kündigungsgrund oder zu mindestens eine Abmahnung hervorrufen. Doch wer streikt, ist davor geschützt. Schon seit Längerem ist das Streiken in Deutschland erlaubt. Eine Kündigung oder eine Abmahnung darf der Arbeitgeber in diesen Fällen nicht ausstellen. Es sei aber bemerkt, das zwischen einem legalen und nicht legalen Streik unterschieden werden muss.
Im Grunde ist nach dem Gesetz ein Streik nur anerkannt, wenn es ein probates Mittel ist, um praktisch gleichgewichtig mit dem Arbeitgeber verhandeln zu können. Ist das Streiken jedoch nicht als notwendiger Zweck zu erkennen, so ist dieser nicht legal. Die Grenzen verlaufen oft fließend. Gewerkschaften als auch Arbeitgeberverbände nutzen oft gezielte Marketingmethoden. Ob ein Streik dann wirklich zweckmäßig ist, lässt sich oft nur schwer erkennen.
Folgende Grundsätze sollten daher erfüllt sein:
- Die Gewerkschaft trägt den Streik
- Es muss ein nachvollziehbares Ziel verfolgt werden (z.B. Trarifanpassung, etc.)
- Der Streik muss sich konkret gegen den Arbeitgeber richten (ein Streik, um lediglich Druck auf den Gesetzgeber auszuüben, ist untersagt)
- Das Ziel des Streikes muss tarifrechtlich möglich und zugelassen sein
- Vor dem Streik muss verhandelt werden und es darf nur das letzte Mittel sein.
- Jeder Streik muss verhältnismäßig sein.
Nach dem geltenden Recht werden die sogenannten Warnstreiks in der Regel anerkannt. Allerdings ist es weiterhin strittig ob diese als Begleitung zu den Verhandlungen rechtens sind. Lässt sich aber ein Streik als nicht rechtmäßig erkennen, darf der Arbeitgeber Abmahnungen und je nach Fall auch Kündigungen aussprechen.
Was darf der Arbeitgeber
Arbeitgeber sind in der Wahl der Mittel eigentlich immer eingeschränkt. Doch sie können zwei Optionen nutzen. Zu einem können Sie die Geldmittel einstellen und zum anderen auch Mitarbeiter aussperren. Das Aussperren ist ein legitimes Mittel, das vor allem die Gewerkschaft unter Druck setzen kann. So verweigern die Chefs die mögliche Arbeitsleistung der Arbeitnehmer in einem Streik. Davon betroffen sind vor allem Angestellte, die trotz Streikmaßnahmen arbeiten wollen. Die Gewerkschaft ist dann gezwungen, auch bei diesen Personen eine Zahlung zur Streikunterstützung zu leisten. Siehe hierzu aber auch im nächsten Absatz!
Doch auch hier muss der Arbeitgeber prüfen, ob das Aussperren nicht vertragswidrig ist. Grundsätzlich könnte man zur legalen rechtlichen Nutzung die gleichen Bedingungen (s.o.) wie beim Streik anführen. Somit hätte der Arbeitgeber unter Umständen auch das Recht, den Arbeitslohn während dieser Zeit zu verweigern.
Hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Lohn/Gehalt
Ist der Streik rechtens, drohen zwar keine Abmahn-Konsequenzen durch den Arbeitgeber. Dennoch haben Arbeitnehmer für die Dauer des Streiks keinen Anspruch auf Lohn/Gehalt. Die Gewerkschaft hat in der Regel in Form einer Streikunterstützung einzuspringen. Allerdings nur für tatsächliche Mitglieder. Arbeitnehmer, die dennoch streiken, allerdings nicht als Mitglied registriert sind, können dennoch direkt im Streik in die Gewerkschaft eintreten. Eine Meldung auf Arbeitslosigkeit ist während dieser Zeit grundsätzlich nicht möglich. Dem Gesetz nach (siehe SGB III) ist die Bundesagentur für Arbeit verpflichtet, sich aus Arbeitskämpfen herauszuhalten.
Hat der Arbeitgeber einen Anspruch auf Schadensersatz
Sowohl Gewerkschaften als auch Arbeitgeber verlieren viel bei einem Streik. Für Gewerkschaften ist es daher immer wichtig, neue zahlende Mitglieder anzuwerben, um die Kriegskassen zu füllen. Jeder gute Streik füllt zudem danach die Kassen für das kommende Jahr. Arbeitgeber hingegen erleiden oft große wirtschaftliche Einbußen. Dieser Schaden kann jedoch nicht geltend gemacht werden. Es sei denn, der Streik erfolgte grundlos oder wurde aus anderen Gründen als nicht rechtmäßig angesehen. Hierüber kommt es immer wieder zu langen Diskussionen vor dem Arbeitsgericht.
Dürfen Beamte streiken?
Früher konnte man generell ja sagen. Dann hieß es auch mit gesetzlichem Hintergrund, dass Beamte nicht streiken dürfen. Allerdings wurde dieses ja durch verschiedene Urteile aufgeweicht. Auch Juristen sind generell uneinig darüber, ob Beamte streiken dürfen.
So wurde bereits am 16.12.2010 vom Landesverwaltungsgericht in Düsseldorf einem verbeamten Lehrer das Recht auf Streik zugestanden. Die von der Bezirksregierung verhängte Disziplinarmaßnahme wurde aufgehoben. Im Jahre 2011 hat das Verwaltungsgericht in Osnabrück dagegen die Disziplinarmaße, die gegen einen streikenden verbeamten Lehrer erhoben wurde, als gültig erklärt. Im gleichen Jahr urteilte das Verwaltungsgericht in Kassel, das einem verbeamteten Lehrer das Streikrecht nicht abgesprochen werden dürfe. Zum Ende des Jahres 2011 urteilte in einem ähnlichen Verfahren das Verwaltungsgericht in Kassel. Hier wurde der Beamtenstreik erstmals für rechtens erklärt. Allerdings mit Blick auf die europäische Rechtsprechung. Doch schon im Jahre 2012 teilte das Oberverwaltungsgericht in Münster die Auffassung, das eine verbeamtete Lehrerin kein Streikrecht hat. Die Frage ist auch hier, ob ein Streikrecht ein unveräußerliches Menschenrecht sei. Nach wie vor ist diese Frage juristisch, geht es um einen Beamten, nicht geklärt. Es ist deshalb davon auszugehen, das Beamte nicht streiken dürfen.
Fotograf: Klaus Uwe Pacyna / pixelio